Grenzen des Empowerment-Konzepts

Grenzen des Empowerment-Konzepts

Die Stärke des Empowerment-Konzepts liegt zum einen in seinem signifikanten Verständnis von Hilfe und zum anderen der sich daraus ergebenden reflektierten Beziehung zwischen professionell Tätigen und Betroffenen im Sinne von Experten ihrer Krankheit. Die Definition von Hilfe kennzeichnet sich durch eine radikale Abkehr vom klassischen Fürsorgeprinzip und damit auch von der Theorie der „Erlernten Hilflosigkeit" nach MARTIN E. P. SELIGMANN. Vielmehr basiert das Konzept auf einem humanistischen Menschenbild, das sich an den Wünschen und Bedürfnissen der Betroffenen orientiert und diese wahrnimmt. Die Tätigkeit der Professionellen ist geprägt durch eine unterstützende auf Gleichberechtigung zielende Grundhaltung. Darüber hinaus liegt die Stärke des Konzeptes vor allem auch in der synergetischen Wirkung seiner einzelnen Teilaspekte.

Zugleich Stärke wie auch Schwäche des Empowerment-Konzepts ist die nach wie vor noch sehr hohe Abstraktionsebene, die mit diesem Begriff verbunden wird. Einerseits wird den Professionellen damit ein sehr hoher Handlungsspielraum gelassen; andererseits fehlt es jedoch an konkreten Methoden, mit Hilfe derer ein Qualitätsstandard der Arbeit aufgezeigt werden könnte. Eine Konkretisierung im Sinne spezifischer, methodisch orientierter Handlungsweisen ist für eine optimale Umsetzung des Konzepts zwingend notwendig.[36]

Des Weiteren ist kritisch zu betrachten, inwieweit der Empowerment-Ansatz wirklich auf alle Betroffenen und auch Professionellen anwendbar ist. Es stellt sich vor allem die Frage, ob psychiatrie-erfahrene Menschen in akuten Krisen- oder Konfliktsituationen sich tatsächlich in der Lage sehen, partizipativ auf Entscheidungen einzuwirken. ALBERT LENZ geht vielmehr davon aus, dass sich Menschen in diesen Situationen vorrangig regressiv verhalten und die Verantwortung weiteren Handelns an die Professionellen abgeben.[37] Es muss also davon ausgegangen werden, dass es zur Umsetzung des Empowerment-Konzepts ein Mindestmaß an Kommunikations- sowie Reflexionsfähigkeit des Betroffenen bedarf.Einen weiteren Konflikt sieht RALF QUINDEL für professionell Tätige in der Diskrepanz zwischen Förderung von Selbstbestimmung auf der einen Seite und Hinwirken auf gesellschaftliche Anpassung der Betroffenen auf der anderen Seite. Im Vordergrund steht die Unterstützung selbstbestimmter Lebensentwürfe, die durchaus im Widerspruch zu gesellschaftlichen Normen und Werten stehen können. Der Aspekt der sozialen Kontrolle von Seiten der Professionellen geht jedoch oftmals verloren, einer kritischen Auseinandersetzung wird damit nicht nachgegangen.[38]

Abschließend kann das Konzept des Empowerments als ein Wegbereiter zu einem neuen Verständnis des Hilfebegriffs verstanden werden, dessen optimale Anwendung noch weiterer konzeptioneller Entwicklungen bedarf.

[36] Pankofer, Sabine: Empowerment – Eine Einführung. In: Miller, Tilly & Pankofer, Sabine; 2000: Empowerment konkret. Handlungsentwürfe und Reflexionen aus der psychosozialen Praxis.; Stuttgart (Lucius & Lucius Verlagsgesellschaft mbH), Seite 18 ff

[37] Vgl. Lenz, Albert: Empowerment und Ressourcenaktivierung – Perspektiven für die psychosoziale Praxis. In: Lenz, Albert & Stark, Wolfgang (Hrsg.); 2002: Empowerment. Neue Perspektiven für psychosoziale Praxis und Organisation.; Tübingen (dgvt-Verlag), Seite 16

[38] Vgl. Quindel, Ralf: Psychosoziale Arbeit im Spannungsfeld zwischen Hilfe und Kontrolle. In: Lenz, Albert & Stark, Wolfgang (Hrsg.); 2002: Empowerment. Neue Perspektiven für psychosoziale Praxis und Organisation.; Tübingen (dgvt-Verlag), Seite 136

Über die Autorin/den Autor
Antje Henkel schloss 2005 Ihr Diplom-Studium Sozialarbeit/Sozialpädagogik an der Evangelischen Fachhochschule Berlin ab.

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