Bewertungen der Thesen

Bewertungen der Thesen

Anhand der dargestellten Expertenaussagen werden nun die nachstehenden Thesen bewertet. Wobei diese Arbeit nicht den Anspruch der Repräsentativität der erhobenen bzw. interpretierten Ergebnisse verfolgt.

Das Aufwachsen in einer alkoholkranken Familie stellt für die Kinder und Jugendlichen eine belastende Situation dar und hat negative Auswirkungen auf ihre Entwicklung.

Alle drei Interviewpartner geben an, dass die Situation in Suchtfamilien belastend für die Kinder und Jugendlichen ist und einhergeht mit den unterschiedlichsten Beeinträchtigungen. Ein Experte betont jedoch, dass die Kinder grundsätzlich nicht als krank zu bezeichnen sind, sie jedoch aufgrund der familiären Situation „... mal mehr, mal weniger sehr beeinträchtigt." (Interview 3: 2) sind. Die Beziehungen in einer suchtkranken Familie sind sehr eingeschränkt und „... diese Kinder haben häufig das Problem gehabt und haben das Problem auch noch: ich darf nicht darüber reden.." (Interview 3: 5). Die Kinder dürfen und können über das Erlebte in der Familie nicht sprechen, so dass sie „... mit ihren Problemen ein Stück allein gelassen..." (Interview 3: 3) sind. Die Kinder schämen sich laut der Expertin 2 häufig für ihre Eltern und meinen am Trinken des Elternteils schuld zu sein. Die Interviewte betont das loyale Verhalten der Kinder gegenüber ihren Eltern und sagt: „Sie sind anhängig von ihren Eltern, sie brauchen die Eltern und die Eltern funktionieren nicht mehr als Eltern." (Interview 2. 2). Als besondere Belastung wird von den Experten mehrheitlich das Erleben von Gewaltsituationen und sexuellem Missbrauch angesehen. Aufgrund der gestörten Familienatmosphäre, der „sich die Kinder nicht entziehen können" (Interview 2: 2), kommt es häufig zu Misshandlungen. Diese gefährdende Familienatmosphäre beeinflusst die Entwicklung der Kinder in negativer Weise. Ein Befragter äußert jedoch, dass häufig neben der Abhängigkeit andere belastendende Situationen wie Trennungen oder elterliche Kriminalität problematisch sind, welche die Entwicklung der Kinder beeinflussen. „Die Sucht alleine ist es gar nicht mal." (Interview 3: 3). Interviewpartnerin 1 berichtet, dass insbesondere die Bindungsfähigkeit und Emotionalität ein riesiges Problem für die Kinderdarstellt, auch sind sie nach ihren Angaben nicht in der Lage, Gefühle und Bedürfnisse zu formulieren. Als weiteres Defizit benennt sie das erhöhte Aggressionspotential der Kinder und die Unfähigkeit Konflikte zu lösen. Andere Kinder wiederum ziehen sich vollständig zurück. Neben diesen psychischen Beeinträchtigungen benennt die Sozialpädagogin aus Interview 1 auch, aufgrund des elterlichen Alkoholkonsums entstandene, körperliche Defizite wie Taubheit, Fehlbildungen und Nierener-krankungen sowie die Gefahr der Entwicklung von eigenem Suchtverhalten bei den Kindern und Jugendlichen.
Die in der Literatur erwähnten psychischen und physischen Beeinträchtigungen werden von den Experten zum größten Teil bestätigt.

Kinder und Jugendliche aus alkoholbelasteten Familien entwickeln, im Vergleich zu Kindern aus nichtbelasteten Familien, bestimmte Stärken und Kompetenzen.

Grundsätzlich wird diese These von allen drei Interviewten bestätigt. Der Suchttherapeut und Lehrer spricht davon, dass Kinder allein aufgrund ihres Kindseins über „... ganz viel Ressourcen..." (Interview 3: 3) verfügen. Die Interviewpartner 1 und 2 spezifizieren diese Aussage. Nach den vorliegenden Interviews entwickeln die Kinder aufgrund des Aufwachsens in einer suchtbelasteten Familie Fähigkeiten wie z. B. eine hohe Sozialkompetenz, Kommunikationsfähigkeit, Anpassungsfähigkeit, Durchsetzungsvermögen, Hilfsbereitschaft und Selbstständigkeit. Gerade Kinder aus alkoholbelasteten Familien haben gelernt auch in schwierigen Situationen zu überleben. Weiterhin werden sie als sehr liebevoll, aufgeschlossen, interessiert und empathisch beschrieben.
Diese Angaben decken sich insbesondere mit den in der Literatur benannten Ressourcen der Helden-Kinder und der schwarzen Schafe.

Kinder und Jugendliche aus alkoholbelasteten Familien sind bisher eine vernachlässigte Gruppe im Hilfesystem.

Auf die Frage wie die Expertin 2 die Angebote für Kinder und Jugendliche aus suchtbelasteten Familien beurteilt, erwidert sie, dass das Thema „Kinder aus Suchtfamilien" in der Öffentlichkeit nicht bekannt ist. Ihrer Aussage zu Folge existieren sehr wenige solcher Gruppen inDeutschland. Darüber hinaus erhalten diese wenig Unterstützung. Begründet wird dies von ihr folgendermaßen: Die Gruppenarbeit mit Kindern und Jugendlichen aus suchtbelasteten Familien „...ist nicht vorgesehen in irgendwelchen Konzepten..." (Interview 2: 8). Auch die Interviewte 1 entgegnet, dass „... solche Projekte oder solche Initiativen sehr, sehr selten sind..." (Interview 1: 9), auch verneint sie die Frage nach anderen Projekten in der Stadt, welche in irgendeiner Art mit Kindern aus suchtbelasteten Familien arbeiten. Gleichzeitig betont die Sozialpädagogin die Notwendigkeit solcher Angebote: „... das ist sehr erschreckend, weil ich denke, die brauchen wirklich Hilfe, die Kinder in jeder Art und Weise, in jeder erdenklichen Form." (Interview 1: 9). Zugleich zeigt sich auch in der Antwort der Expertin 2 zur Frage nach den Gründen der Initiierung eines Gruppenangebotes für die betroffenen Kinder der große Bedarf eines solchen Angebotes. Experte 3 bestätigt an dieser Stelle, dass es „... was das Bundesgebiet angeht (...) eher wenige Stellen sind die überhaupt Angebote machen." (Interview 3: 10). Jedoch hat sich nach seiner Ansicht „... ein Teil der Suchthilfe und auch der Selbsthilfegruppen (..) dieses Thema angenommen." (Interview 3: 10). Entgegen der anderen Berichte erwidert er, dass es an sich nicht zu wenig Angebote für Kinder gibt, „... sondern dass noch nicht so ganz klar ist im Bewusstsein, was passiert eigentlich mit denen und wie kann man ihnen effektiv helfen." (Interview 3: 10). Wie schon Expertin 2 betonte, sagt auch der Suchttherapeut, dass das Thema noch nicht „im Bewusstsein von Beratenden..." (Interview 3: 10) ist. Er hebt jedoch auch hervor, dass sich das Verständnis in den letzten Jahren schon verändert hat. Der Prozess der Bewusstseinsveränderung muss jedoch weiter fortschreiten. Auch verweist er auf die Notwendigkeit „... über dieGrenzen hinaus..." (Interview 3: 10) zu schauen und die teils erweiterten Erfahrungen aus anderen Ländern auf diesem Gebiet mit zu beachten.
Bereits in der Vorbereitungsphase der Expertenbefragung konnte festgestellt werden, dass nur sehr wenige Angebote für Kinder und Jugendliche aus suchtbelasteten Familien bestehen. Gerade im anfänglichen Untersuchungsraum Berlin ist das Angebotsspektrum, für die Zielgruppe, als sehr unzureichend zu beurteilen. Auch die Expertenaussagen bestätigen die Hypothese, dass Kinder undJugendliche aus alkoholbelasteten Familien noch immer eine vernachlässigte Gruppe im Hilfesystem sind.

Derzeit gibt es keine einheitliche Finanzierung für Gruppenangebote für Kinder und Jugendliche aus alkoholbelasteten Familien.

Auch in der Praxis zeigt sich, dass keine allgemeingültige Regelung bezüglich der Finanzierung der Gruppenarbeit existiert. Die Interviewten geben unterschiedliche Finanzierungsquellen an. Das Gruppenangebot in der sächsischen Großstadt versteht sich als Pilotprojekt und wird regelmäßig über den Förderverein des Kinderheimes, in dem dieses Hilfsangebot besteht, finanziert. Die Expertin aus Berlin beklagt die fehlende geldliche Unterstützung seitens der Öffentlichkeit und äußert Kritik diesbezüglich. Diese Selbsthilfegruppe wird grundsätzlich von einem ehrenamtlichen Mitarbeiter begleitet. Aufgrund einer einmaligen Spendenzahlung einer Benefizveranstaltung im Jahre 2000 konnte kurzzeitig eine Sozialpädagogin zur Leitung der Gruppe engagiert werden. Die Durchführung der Kindergruppe im Bundesland Rheinland-Pfalz erfolgt unter anderem über eine Suchtpräventionsstelle. Die Finan-zierung dieses Arbeitsplatzes erfolgt zum größten Teil über das Land sowie zu jeweils 15 % durch den Kreis und den konfessionellen Träger.

Der Zugang der Kinder und Jugendlichen zu den vorhandenen Angeboten erfolgt über unterschiedliche Institutionen.

Im Hinblick auf den Zugang der Kinder zu den Gruppenangeboten wurden von den befragten Personen unterschiedliche Angaben formuliert. Da die Kindergruppe in Sachsen an ein Kinderheim angegliedert ist, erübrigt sich an diesem Punkt die Ausführung der Kontaktaufnahme zur Zielgruppe. Der Kontakt zu den Kindern aus suchtbelasteten Familien in Rheinland-Pfalz entstand anfänglich hauptsächlich „... über die Suchtberatungsstelle..." (Interview 3: 4). In den eigenen Worten des Experten: „... und dann hab ich damals auch Fortbildungen gemacht für Pflegeeltern, Pflegeeltern haben häufig Kinder aus Suchtfamilien und diese Pflegemutter hat sich dann auch für die Gruppe entschieden." (Interview 3: 4). Im Laufe der Zeit wurde die Gruppe durch Fortbildungsveranstaltungen und Elternabende zum ThemaSuchtprävention in Kindergärten bekannter. Heute erfolgt der Zugang zu den Kindern über unterschiedliche Stellen im Hilfesystem wie z. B. Selbsthilfegruppen oder das Jugendamt. Anfang des Jahres 2004, so der Interviewte „... haben wir etwas verändert, dass die Zugänge nicht mehr nur über diese Suchtschiene läuft, sondern dass wir eine Zusammenarbeit haben..." mit einer konfessionellen Beratungsstelle, welche als ein Angebot die sozialpädagogische Familienhilfe hat, diese ist „... direkt im Kontakt mit den Kindern und häufig in Familien mit Suchtproblemen..." (Interview 3: 4).

Ein interessanter Aspekt stellt die geäußerte Kritik der befragten Expertin aus Berlin dar. Sie beklagt, dass der Zugang zu den Kinder „... überhaupt nur über Erwachsene die wohlwollend vermittelt haben." (Interview 2: 3) erfolgt. Der Kontakt zu den Kindern entsteht über Angehörigengruppen für Erwachsene, über das städtische Kinderheim sowie über eine Schulsozialarbeiterin einer Gesamtschule. Die Expertin weist jedoch darauf hin, dass dies alles Personen bzw. Institutionen sind, welche sich in der Vorbereitungsgruppe für diese begleitet Selbsthilfe-gruppe engagierten: „... die meisten Kinder kamen tatsächlich über diesen persönlichen Kontakt, dass jemand hier von dieser Arbeitsgruppe war (...) die meisten Kinder kamen eben über so eine positive Zuweisung durch professionelle Helfer..." (Interview 2: 4).

Der Kontakt zur Zielgruppe wird an unterschiedlichen Stellen im Hilfesystem hergestellt. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass der Zugang zu den Kindern und Jugendlichen besonderen Schwierigkeiten unterliegt. Insbesondere mangelndes Wissen seitens der professionell Tätigen im Hilfesystem behindert die Vermittlung der Kinder und Jugendlichen aus suchtbelasteten Familien in die spezifisch auf die familiäre Suchtproblematik ausgerichteten Kindergruppen. Mit einer Erweiterung der Zugangsmöglichkeiten müssen daher unbedingt Informations- und Fortbildungsveranstaltungen zum Thema „Sucht in Familien" einhergehen, um eine Sensibilisierung der Mitarbeiter, welche mit Kindern und Jugendlichen in Kontakt stehen, zu erreichen.

In der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen aus alkoholbelasteten Familien werden schwerpunktmäßig spielpädagogische Methoden angewandt.

Bei keinem der drei angebotenen Gruppen handelt es sich um ein vorrangig therapeutisches Angebot. Aus methodischer Sicht gibt es Differenzen in der Durchführung der Gruppenarbeit. In der Berliner Gruppe werden vorrangig Gespräche geführt, da es sich hierbei um eine Form der begleiteten Selbsthilfegruppe handelt: „Inhalt war eigentlich darüber zu reden, wie es jedem Einzelnen so geht (...) vorrangig ging's darum sich auszutauschen (...) also wirklich das Gespräch stand im Vordergrund..." (Interview 2: 5). Daneben sind Freizeitaktivitäten wie Backen und Spielen sowie Hausaufgabenbetreuung Inhalt der Gruppenstunde. Bei den Gruppen in Sachsen und Rheinland-Pfalz handelt es sich um spiel- und freizeitpädagogische Angebote. Für die praktische Umsetzung der Gruppenarbeit werden, nach der Expertenaussage 3, verschiedene Methoden genutzt: das Einhalten und Entwickeln von Ritualen wie z. B. die gemeinsame Essenzubereitung, Freizeitaktivitäten wie sportliche Angebote oder Zirkusbesuche, gemeinsame Geburtstagsfeiern und der Besuch des Jugendzentrums. Der Experte begründet diese gemeinsamen Unternehmungen damit, den Kindern und Jugendlichen den Sprung zu selbständigen Freizeit-aktivitäten zu erleichtern. Weiterhin kommen kreative Methoden wie Arbeiten mit Ton, Speckstein und Bastelein zum Einsatz. „... bei Bedarf eben auch Gespräche mit den Kindern oder auch die Gespräche mit den Eltern und den Kindern zusammen..." (Interview 3: 7). Laut Expertin 1 wird mit den folgenden Praktiken der Umsetzung der genannten Ziele Rechnung getragen: kreative Methoden, Entspannungsmethoden z. B. durch Malen von Mandalas und Entspannungsgeschichten sowie Gruppen- und Einzelgespräche. Die genannten Methoden dienen dazu Vertrauen zu den Kindern aufzubauen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen: „... und da kommen dann Geschichten ohne Ende aus ihrem Erlebnisfeld (...) und dass ich dort wieder anknüpfen kann, nachfragen kann..." (Interview 1: 6). Der klare Ablauf der Gruppenstunde mit einem Einstimmungsteil, dem Hauptteil und der Abschlussrunde in der eine Orientierung für die nächste Stunde gegeben wird, bildet den Rahmen.Über Gefühlspantomime, Interaktions- und Rollenspiele werden unter-schiedliche Themen wie Gefühle, Kommunikation, Konfliktlösungs-strategien und Gewalterfahrungen aufgearbeitet. Mittels Collagen soll den Kindern Wissen vermittelt werden: „Was ist Sucht eigentlich?" oder „Wie entwickelt sich Sucht?" (Interview 1: 6).

Hier wird deutlich, dass sich die angewandten Methoden daran ausrichten um, welche Form der Gruppenarbeit (soziale Gruppenarbeit oder begleitete Selbsthilfegruppe) es sich handelt. Grundsätzlich sind alle Angebote spiel- bzw. freizeitpädagogisch sowie gesprächsorientiert und erheben keinen therapeutischen Anspruch.

Das Ziel der Gruppenangebote ist die Förderung der Persönlichkeitsentwicklung der Kinder und Jugendlichen.

Die Befragten betonen hinsichtlich der Zielsetzung einheitlich den Aspekt der Entlastung der Kinder durch das spezifische Gruppenangebot: „... mein Ziel ist es, dass die Kinder erst mal einen Ort haben, wo sie über das sprechen können, was sie in der Familie erlebt haben oder erleben. Dass sie so ein Stück Entlastung haben." und erfahren „... es gibt auch andere Kinder, die in dieser schwierigen Situation leben." (Interview 3: 5). Die Expertin 1 benennt in diesem Zusammenhang die Zielsetzung: „...ein Stückchen an der Schuldfrage zu arbeiten..." (Interview 1: 5), aber auch die kindgerechte Bearbeitung verschiedener Themen wie Gewalt, Kommunikation, Sucht, Gefühle und Konflikte. Alle Interviewten sind der Ansicht, dass die Gruppe den Kindern Raum bieten soll über ihre Sorgen und Probleme zu sprechen. Eine Expertin formuliert dies wie folgt: „Und dass sie eben immer die Möglichkeit haben einer Dritten neutralen Person, der sie wirklich ihr Herz ausschütten können..." (Interview 1: 5). Die Aussagen aus Interview 1 und 2 implizieren, dass die Kinder erst lernen müssen über ihre Wünsche, Sorgen und Bedürfnisse zu sprechen bzw. diese zu formulieren, aber auch sich selbst ernst zu nehmen: „... rauszubekommen was will ich eigentlich und das auch zu artikulieren und nicht durchzusetzen mit Gewalt." (Interview 1: 5) oder in den Worten der anderen Expertin, dass die Kinder „... lernen wirklich selber zu reden, nicht nur über die Sorgen der Eltern..." und dass sie erfahren „... dass es eben wichtig ist, was mandenkt und was man fühlt und was man sich wünscht und dass, das in den Vordergrund kommt, dass man ein Recht hat auf eigene Ziele, auf eignes Glück und (...) einen eigenen Lebensweg..." (Interview 2: 5) hat. Ein weiteres Ziel dieses Gruppenangebotes laut der Expertin 2 ist die Ich-Stärkung. Auf die Frage nach den Hauptzielen der Gruppenarbeit erwähnt der Interviewte 3 neben den genannten Punkten folgende Ziele: „...die Erweiterung ihres Raumes..." (Interview 3: 5), der Aufbau neuer Beziehungen zu anderen Kindern, aber auch zu Erwachsenen, die Stärkung des Selbstwertgefühls der einzelnen Kinder durch Loben und Unterstützen in deren individuelle Fähigkeiten: „...Wertschätzung (..), dass das Selbstwertgefühl der Kinder da ein Stück weit wachsen kann... nachwachsen kann." (Interview 3: 5) sowie das Ziel „... auch die Eltern ein Stück weit mehr in das Hilfesystem hinein..." (Interview 3: 5) zu holen. Dem letzten Aspekt ist in so fern Beachtung zu schenken, da bisher angenommen wurde, dass der Kontakt zu den Kindern hauptsächlich über die Eltern erfolgt. An dieser Stelle entgegnet der Experte: „Dadurch, dass die Kinder in die Kindergruppe kommen, kommen auch die Eltern ein Stück mehr in das Hilfesystem hinein..." (Interview 3: 6) und das Problem wird somit öffentlich.
Alle genannten Zielsetzungen beabsichtigen letztlich die Förderung der Persönlichkeitsentwicklung der Kinder und Jugendlichen.

Die Gruppenarbeit hat einen positiven Einfluss auf die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen aus alkoholbelasteten Familien.

Explizit bestätigt keiner der Experten diese Behauptung. Die Gruppe in Sachsen sowie die in Berlin unterliegt keiner wissenschaftlichen Langzeitbegleitung, so dass die Wirkung des spezifischen Angebotes nicht überprüfbar ist. Lediglich in Rheinland-Pfalz wurde das Modellprojekt im Rahmen einer wissenschaftlichen Auswertung evaluiert: „Da ist ja auch festgestellt worden in der Befragung der Kinder: dass sie das positiv sehen und aus ihrer Sicht, das Angebot was Gutes ist." (Interview 3: 8). Die Kinder kommen gern in die Gruppe und freuen sich darauf, es entsteht „... eine Art Bindung..." (Interview 3: 7). Von dem Experten wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es einerseits Schwierigkeiten in der Messbarkeit der Erfolge in dieser Arbeitgibt und weiterhin nicht klar ist ob die positive Auswirkung wirklich an der Teilnahme an der Kindergruppe lag. Dennoch lassen sich eine Reihe individueller Entwicklungen bei den Kindern feststellen: „... so ein Stück mehr Offenheit. Dass die Kinder nicht mehr so direkt darunter leiden, dass sie einsam sind." (Interview 3: 7) und „... erhebliche Unterschiede..." (Interview 3: 7) was das Selbstwertgefühl angeht. Langfristig „... haben manche für sich eine ganz tolle Entwicklung gemacht." (Interview 3: 8). Ein anderer förderlicher Aspekt ist, dass es „... eine offenere Situation gibt, die Eltern kommen da hin und man spricht auch mal mit den Eltern oder die Eltern sprechen miteinander. Das ist eine andere Situation als es vorher war." (Interview 3: 7). Was er ebenfalls beobachten konnte „... sind die Eltern, also dass sich bei den Eltern irgendwas verändert hat..." (Interview 3: 8). Expertin 1 gibt an, dass die Gruppe bis zum Zeitpunkt des Gespräches an drei Nachmittagen durchgeführt wurde und somit keine Aussagen bezüglich der Wirksamkeit getroffen werden können. Als „Erfolg" betrachtet sie bisher die Freude und Neugier der Kinder auf die bzw. an der Gruppe. Als Hinweise für eine positive Entwicklungen sind ihrer Meinung folgende Parameter denkbar: dass die Kinder „... ein Stückchen Vertrauen fassen..." (Interview 1: 7) und Dinge die sie belasten loswerden können, dass sie „... manche Dinge auch hinterfragen und dass ihnen manche Dinge auch bewusst werden..." (Interview 1: 7) sowie der Abbau von Aggressionspotential, der Aufbau von Kommunikation und die Fähigkeit um Hilfe zu bitten. Als positive Rückmeldung von Seiten der Kinder interpretiert eine andere Expertin zum einen die kontinuierliche Anwesenheit zweier Mädchen sowie persönliche Aussagen der Kinder: „... dass sie es eben wichtig finden, dass sie mal mit andren darüber reden können, dass sie den Kontakt haben." (Interview 2: 7). Ihrer Meinung nach sind Erfolgsparameter, wenn die Kinder sich wichtig nehmen, an sich selber denken und gelernt haben ihren Eltern gegenüber auch einmal „nein" zu sagen. Als Erfolg erachtet sie u. a., dass ein Junge, welcher die Gruppe besucht hat, formulieren konnte, wo er lieber aufwachsen möchte „Und er ist hier auch nicht mehr aufgetaucht also Problemfall sozusagen." (Interview 2: 7) -in der Beratungsstelle. Ein weiterer positiver Effekt der begleiteten Selbsthilfegruppe zeigt sich imfolgenden Beispiel: „..., dass die Kinder sich helfen, sich auch wichtig nehmen, sich selber wichtig und ernst nehmen, dass ist gefördert worden und dass hat eben dazu geführt, dass die Mädchen (...) ihren Weg eher gegangen sind." (Interview 2: 7).
Hinsichtlich einer positiven Wirkung der Gruppenangebote auf die Entwicklung der Kinder lassen sich lediglich Vermutungen äußern. Dennoch ist davon auszugehen, dass hier einen Beitrag zur Verbesserung der kindlichen Lebenssituation geleistet wird.

Um die Kinder und Jugendlichen im Hilfesystem aufzufangen, bedarf es einer umfangreichen Vernetzung der Institutionen.

Neben der bestehenden Zusammenarbeit mit dem Kinderheim sind, gemäß der befragten Person aus Interview 1, folgende Kooperationen wünschenswert: mit Schulen, mit behandelnden Ärzten (wie z. B. Logopäden), aber auch mit Nachbarn, deren Kindern, mit sozialpädagogischen Einfall- und Familienhelfern. An diesen Stellen müssen laut der Expertenmeinung niedrigschwellige Angebote initiiert werden. Die Sozialpädagogin legt Wert auf eine frühzeitige, intervenierende Hilfe und wünscht sich, dass die Hilfe ansetzt „... bevor das Kind in den Brunnen fällt..." (Interview 1: 8).

Die begleitete Selbsthilfegruppe in Berlin entstand aus einer Arbeitsgruppe zum Thema „Hilfen für Kinder und Jugendliche suchtkranker Eltern". Die hier kooperierenden Personen waren: eine Heimerzieherin vom städtisches Kinderheim, ein Mitarbeiter vom Allgemeinen Sozialen Dienst, ein Mitarbeiter einer Beratungsstelle für Alkoholkranke und ein Mitarbeiter vom Verein WIGWAM1, eine Lehrerin von einer Hauptschule und eine Lehrerin einer Gesamtschule sowie eine Erzieherin aus einem Kinderclubhaus. Die Bandbreite der kooperierenden Institutionen wird als „... eine ganz gute Mischung..." (Interview 2: 8) angesehen. Prinzipiell wird die Zusammenarbeit von der Interviewten 2 als gut beurteilt. Dennoch wird hier von ihrer Seite zwischen den Mitgliedern der Arbeitsgruppe, welche von ihrer Stelle „... abkommandiert wurden..." und denen die „... sich schon sehr engagiert..." (Interview 2: 7) haben, unterschieden. Erstere haben „... dapraktisch nur ihre Stelle vertreten und die haben das eigentlich nicht mit gefördert..." (Interview 2: 7), wohingegen die interessierten Mitarbeiter sich mit sehr viel „... eigenem Engagement, teilweise auch in ihrer Freizeit..." (Interview 2: 7) für diese Arbeit eingesetzt haben. Um einer erfolgreichen Zusammenarbeit Rechnung tragen zu können, wünscht sich die Expertin eine umfassendere Kooperation. In dem Sinne, dass stellvertretend eine Person, z. B. den Bereich Schule in der Arbeitsgruppe vertritt. Ein häufig erwähnter Kritikpunkt der Expertin: das „... Thema, es ist nicht vorgesehen und verlangt dann praktisch... von den einzelnen eine höhere Kraft, Einsatz, Geld (...) es gab da keinen richtigen Überbau, weil das Thema eben (.) nicht vorgesehen ist." (Interview 2: 8).
Laut Interviewpartner 3 sind im Stadtkreis Strukturen entstanden, in denen verschiedene Institutionen wie z. B. das Jugendamt, die sozialpädagogische Familienhilfe, die Suchtberatungsstelle, der Kinderschutzdienst und Schulsozialarbeiter einer Hauptschule zusammenarbeiten und ein regelmäßiger Austausch stattfindet. Der Experte selbst veranstaltet Fortbildungen, Seminare und Elternabende z. B. in Kindergärten, Selbsthilfegruppen und ambulanten Therapie-gruppen, aber auch für Angehörige von suchtkranken Menschen. Neben den bestehenden Kontakten wären wünschenswerte Kooperationspartner insbesondere im medizinischen Bereich notwendig. Ganz speziell spricht der Experte hier von den Kinder- und Hausärzten sowie von Frauenärzten und dem Bereich der Geburtshilfe (Hebammen). Auf die Frage wie die Zusammenarbeit mit den Einrichtungen erlebt wird, erwähnt der Suchttherapeut, dass diese sehr unterschiedlich funktioniert: „...bei manchen geschieht es gut und bei manchen ist es sehr schwer." (Interview 3: 9). Zum anderen wird darauf aufmerksam gemacht, dass Vernetzung am besten dort gelingt „... wo man sich persönlich kennt. Und ob man miteinander kann." (Interview 3: 9). Denn gerade wo kein Kennenlernen stattfindet und „... ganz unterschiedliche Denkweisen..." (Interview 3: 9) aufeinander treffen gibt es Blockaden. Grundsätzlich hebt er hervor: „Die Zusammenarbeit zwischen Suchthilfe und Jugendhilfe ist ein ganz schwieriges Thema. Alle müssen, glaube ich, erst lernen miteinander ins Gespräch zu kommen und uns nicht gegenseitig als Konkurrenten zu sehen (...), sondern dass wir uns ergänzen müssen."(Interview 3: 9). Er betont jedoch hier auch die positive Seite und sagt die konstruktive Zusammenarbeit „...findet in Ansätzen statt..." (Interview 3: 9). Für eine funktionierende Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen aus suchtbelasteten Familien ist eine Zusammenarbeit von Jugend- und Suchthilfe dringend erforderlich. Er plädiert dafür, dass Vorbehalte, welche „... von beiden Seiten." (Interview 3: 9) existieren, abgebaut werden müssen, denn dann „... kann noch ganz ganz viel geschehen." (Interview 3: 9).Die befragten Experten bestätigen mit ihren Aussagen die Bedeutung und Notwendigkeit einer umfangreichen und trägerübergreifenden Vernetzung der Institutionen, um die Kinder und Jugendlichen aus suchtbelasteten Familien aufzufangen und zu vermitteln. Gleichzeitig wird deutlich, dass Netzwerkarbeit nicht allerorts stattfindet und darüber hinaus Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit bestehen. Es kann festgestellt werden, dass es neben der umfangreichen Vernetzung auch einer funktionierenden Kooperation der Fachbereiche bedarf.

Angebote für Kinder und Jugendliche aus suchtbelasteten Familien müssen in Kooperation von Jugend- und Suchthilfe stattfinden.

Einheitlich sprachen sich die Experten für eine Kooperation von Jugend- und Suchthilfe aus. Die Expertin des Interviews 2 antwortete etwas zögerlich auf die Frage nach der Zuordnung der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen aus suchtbelasteten Familien: „In der Jugendhilfe, man kann aber mit der Suchthilfe kooperieren..." (Interview 2: 8). Sie äußert außerdem „... dass machen wir ja hier auch im Kleinen..." (Interview 2: 8), d. h. mit der Suchthilfe kooperieren. Konkret formuliert wird die Notwendigkeit der Zusammenarbeit von Jugend- und Suchthilfe in Interview 3. Hier wird darauf hingewiesen, dass die Suchthilfe nicht ausgebaut wird, daher „... muss man mit den Bestehenden was machen. Und das geht meiner Ansicht nach am besten mit Kooperation." (Interview 3: 10). Jedoch erwägt er, dass bei dieser Zusammenarbeit bestimmte Schwierigkeiten bemerkbar sind, da „Barrieren (...) von den Menschen die Beratung machen" (Interview 3: 10) aufgebaut wurden, „... , dass man das ein Stück aufbricht. Dass man sagt, so wir setzen uns an einen Tisch und dann wird geguckt was können wir gemeinsamaufbauen." (Interview 3: 10). Neben diesem Aspekt geht die Expertin 2 an diesem Punkt einen Schritt weiter und sagt „Das wäre gut, wenn dass eine Kooperation der beiden, mindestens der Beiden wäre... Jugendhilfe und Suchtkrankenhilfe..." (Interview 1: 9).
Die befragten Personen halten die Kooperation und Zusammenarbeit von Sucht- und Jugendhilfe als erstrebenswert und notwendig, im Hinblick auf eine effektive Arbeit mit der Zielgruppe. Somit kann die These bestätigt werden, dass Angebote für Kinder und Jugendliche aus suchtbelasteten Familien in Kooperation von Jugend- und Suchthilfe stattfinden muss.

Über die Autorin/den Autor
Alexandra May ist Diplom-Sozialarbeiterin/Sozialpädagogin (FH). Zusätzlich studierte sie Erwachsenenpädagogik an der Humboldt-Universität zu Berlin.

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