Mögliche Auswirkungen des elterlichen Alkoholkonsums auf die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen

 Mögliche Auswirkungen des elterlichen Alkoholkonsums auf die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen

Körperliche und emotionale Vernachlässigung bei Kindern von alkoholabhängigen Eltern

Werden die Grundbedürfnisse (z. B. nach Nahrung und Kleidung) des Kindes nicht ausreichend befriedigt, spricht man von körperlicher Vernachlässigung. Dies ist eher in Familien mit illegalem Drogenkonsum zu beobachten, welche von materieller Existenz bedroht sind. Fehlende Anregung und Förderung der motorischen, gefühlsmäßigen, geistigen und sozialen Entwicklung des Kindes wird als emotionale Vernachlässigung bezeichnet und kommt in allen Schichten vor. Die beschriebene Lebenssituation sowie die damit verbundenen Belastungsfaktoren, Gefühle und Verhaltensweisen haben schon in frühester Kindheit einen schädlichen Einfluss auf die Entwicklung dieser Kinder, die sich bis ins Erwachsenenalter hinein auswirkt (vgl. Arenz-Greiving 1998: 40). Laut Michael Klein (2004 b: 4) entwickeln Kinder aus suchtbelasteten Familien ein erhöhtes Risiko für eigene Suchtstörungen ab der frühen Jugend. Weiterhin sind sie weitaus häufiger als Kinder aus nichtsuchtbelasteten Familien von Ängsten, Depressionen, Hyperaktivität, Antisozialität und psychosomatischen Beschwerden betroffen. Auch besteht ein höheres Risiko für psychische, emotionale und sexuelle Kindesmisshandlung bzw. -vernachlässigung. Besonders hoch ist dieses, wenn beide Elternteile alkoholabhängig sind. Diese Störungen werden direkt (z. B. als Alkoholembryopathie) oder indirekt (z. B. über familiäre Stressfaktoren) vermittelt.

Aus einer Arbeit zu familiären Vulnerabilitätsfaktoren, von Gabriele Lachner und Hans-Ulrich Wittchen (1995) geht deutlich ein erhöhtes Erkrankungsrisiko für die Kinder aus suchtkranken Familien hervor. Unter Vulnerabilität versteht man das erhöhte Risiko für die Belastung mit einer psychischen Störung, nicht das reale Vorhandensein einer derartigen Störung. In folgenden Vulnerabilitätsmerkmalen zeigen Kinder aus suchtbelasteten Familien deutliche Unterschiede im Vergleich zu anderen Kinder:

  • lebensgeschichtlich früher Beginn mit Alkohol- und Drogenmissbrauch
  • häufigere Diagnose von Angst, Depression, Essstörungen
  • stärkere Hyperaktivität, Impulsivität und Aggressivität
  • Defizite im schulischen Bereich
  • Defizite im visuellen Wahrnehmungsbereich
  • stärkere intrafamiliäre Konflikte

(vgl. Klein 1998: 17 f)

Anschließend wird ein Überblick über die Auswirkungen des elterlichen Alkoholkonsums auf die körperliche, psychische und soziale Entwicklung der Kinder und Jugendlichen gegeben sowie kurz die Bedeutung für die erwachsenen Kinder dargestellt.

Alkoholembryopathie

„Unter Alkoholembryopathie (oder fetalem Alkoholsyndrom) versteht man eine Schädigung des Kindes, die durch übermäßigen, dauerhaften und krankhaften Alkoholgenuss der Mutter während der Schwangerschaft entstanden ist." (Löser 1987: 3)

Das Fehlbildungssyndrom Alkoholembryopathie versteht sich als eine direkte körperliche Auswirkung des mütterlichen Alkoholmissbrauches während der Schwangerschaft. In Deutschland kommen jährlich etwa 2200 Kinder mit einem fetalen Alkoholsyndrom zu Welt. Damit ist die Alkoholembryopathie eine der häufigsten angeborenen Schädigungen. Es gibt verschiedene Formen und Schweregrade der Alkoholschädigung beim Kind. Man unterscheidet den leichten (Grad I), den mittleren (Grad II) sowie den hohen (Grad III) Schweregrad, wobei die Übergänge fließend sind. Es kommt zu den typischen Schädigungsmustern. Neben den körperlichen Krankheitszeichen, wie Minderwuchs, Untergewicht, Kleinköpfigkeit und Gesichtsfehlbildungen zählen Schädigungen des zentralen Nervensystems, geistige Entwicklungsverzögerungen (Retardierung), kognitive Schädigungen sowie Verhaltensstörungen zu den Hauptsymptomen. Die körperlichen Schädigungen können unter-schiedlich stark mit den Hirnleistungsstörungen und Störungen der seelischen, emotionalen und sozialen Entwicklung kombiniert sein. Oftmals sieht man den Kindern ihre Auffälligkeiten nicht an, jedoch hat der Alkohol eine Schädigung des Gehirns verursacht, welche sich beispielsweise in Form starker Verhaltensstörungen bemerkbar macht. Diese Schädigungen bezeichnet man als fetale Alkoholeffekte.
(vgl. Löser 1987: 3; BZgA 2002: 35 ff)

Gewalt

„Eine Vielzahl von Studien mit überwiegend klinischen und forensischen Stichproben kommt zu dem Ergebnis, das Kinder in alkoholbelasteten Familien eher als andere Kinder Missbrauch und Vernachlässigung erfahren." (Zobel 2000: 44)

Kinder aus suchtbelasteten Familien sind eine besondere Risikogruppe für das Erleiden von Gewalt und sind dieser schutzlos ausgeliefert. Wie Ingrid Arenz-Greiving (2004: 11) betont, geht man davon aus, dass ca. 30 % der Kinder in Familien mit Alkoholproblemen misshandelt werden. Das ist der doppelte bis dreifache Wert wie in der übrigen Bevölkerung. Erklären lässt sich dies vor allem durch die enthemmende Wirkung des Alkohol. Innerfamiliäre Gewalt ist für viele Kinder aus Alkoholikerfamilien eine ganz alltägliche Bedrohung, die häufig als normal empfunden wird, jedoch auch eine traumatische Erfahrung darstellt. Gewalt an sich kann ganz unterschiedliche Formen annehmen:

körperliche und emotionale Vernachlässigung: Werden die Grundbedürfnisse (z. B. nach Nahrung und Kleidung) des Kindes nicht ausreichend befriedigt, spricht man von körperlicher Vernachlässigung. Dies ist eher in Familien mit illegalem Drogenkonsum zu beobachten, welche von materieller Existenz bedroht sind. Fehlende Anregung und Förderung der motorischen, gefühlsmäßigen, geistigen und sozialen Entwicklung des Kindes wird als emotionale Vernachlässigung bezeichnet und kommt in allen Schichten vor.

körperliche Misshandlung: Damit sind Handlungen gemeint, die beim Kind zu körperlichen Verletzungen führen. Neben den beschriebenen direkten körperlichen Auswirkungen des Alkohols auf die Kinder gibt es noch die körperlichen Schäden, die durch Gewalt und Misshandlungen entstehen.psychische Misshandlungen: Misshandlungen können nicht nur in körperlicher, sondern ebenso in psychischer Form erfolgen. Emotionale Misshandlung drückt sich in Äußerungen und Hand-lungen wie Bedrohung, Ignorieren, Liebesentzug, Demütigungen, Beschimpfungen und ständigen Nörgeleien der Erwachsenen aus, durch die das Kind überfordert, verängstigt oder abgewertet wird.sexueller Missbrauch: Unter sexuellem Missbrauch versteht man jede sexuelle Handlung, die ein Erwachsener zur Befriedigung seiner eigenen Bedürfnisse an einem Kind oder Jugendlichen unter Ausnutzung seiner Macht- und Autoritätsposition vornimmt. Es wird vermutet, dass sexuelle Übergriffe besonders häufig in alkoholkranken Familien auftreten. Die verwirrende Familienkonstellation, die herabgesetzte Hemmschwelle nach dem Alkoholkonsum und das Tabuisieren von Gefühlen und Ereignissen sind Faktoren, die einen sexuellen Missbrauch begünstigen. Besonders gefährdet für inzestuöse Beziehungen sind Mädchen.
(vgl. Bertling 1993: 89 ff; Lambrou 2000: 40)

Kognitive Fähigkeiten und schulische Leitungen

Untersuchungen haben gezeigt, dass grundsätzlich keine Intelligenz-unterschiede im Vergleich zu Kontrollkindern zu verzeichnen sind. Bei Kindern, welche von der Alkoholembryopathie oder dem fetalen Alkoholeffekten betroffen sind, zeigen sich Auffälligkeiten in Hinsicht auf verschiedene kognitive Leistungen, wie z. B. logisches und abstraktes Denken, Lernen, Problemlösung usw. Eine weitere Beeinträchtigung stellt die verminderte Merkfähigkeit dar. Die Kinder wirken zerstreut und leicht ablenkbar.

„Kinder mit einer ausgeprägten Alkoholembryopathie gelten als geistig retardiert und sind in den meisten Fällen nicht zum Besuch der Regelschule in der Lage." (Zobel 2000: 59)

Untersuchungen zufolge weichen die Kinder und Jugendlichen aus suchtbelasteten Familien bezüglich ihrer Schulleistungen kaum von der Durchschnittsnorm ab und erreichen die gleichen Schulabschlüsse. Laut Lehrereinschätzungen haben sie jedoch öfter Schwierigkeiten im verbalen Ausdruck. Weiterhin sind bei dieser Gruppe mehr Fehlzeiten und schlechteres Betragen zu verzeichnen. Jedoch stellt sich hier die Frage, ob die geringfügig schlechteren Schulleistungen mit der Sucht-problematik oder eher mit den problematischen äußeren Bedingungen (z. B. häufiger Schulwechsel, elterliche Trennung usw.) in einen Zusammenhang gebracht werden können. Grundsätzlich ist es als besondere Leistung zu erachten, dass die Kinder trotz schlechter häuslicher Voraussetzungen gute schulische Leistungen erbringen. Mädchen aus suchtbelasteten Familien zeichnen sich häufiger als Jungen durch überdurchschnittliche Schulleistungen aus, so dass vermutet werden kann, dass dies ein mädchenspezifischer Versuch darstellt, den familiären Stress zu kompensieren.
(vgl. Klein 1998: 25; Löser 2001: 81 f; Zobel 2000: 34 f)

Verhaltensstörungen

Verhaltensstörungen bei Kindern und Jugendlichen werden in externalisierende und internalisierende Störungen unterteilt. Vor dem Hintergrund der in Kapitel 1 beschriebenen Familienatmosphäre ist es nicht erstaunlich, dass Kinder von abhängigen Eltern häufiger als andere Kinder Verhaltensauffälligkeiten zeigen, wobei Mädchen hier eher zuinternalisierenden Störungen wie Ängsten, Selbstverletzungen, auffälligem Essverhalten sowie sozialem Rückzug und Jungen eher zu externalisierendem Verhalten, wie Aggressionen und Dissozialität neigen. Verhaltensstörungen sind häufig gekoppelt mit Auffälligkeiten im schulischen Bereich. (vgl. Zobel 2000: 39)

1. Aufmerksamkeitsstörung und Hyperaktivität

Die hyperkinetische Störung oder das Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom (ADS) zählt zu den externalisierten Verhaltensstörungen und ist eine bekannte psychische Diagnose im Kindes- und Jugendalter. Gemäß den diagnostischen Kriterien des ICD-10 liegt eine hyperkinetische Störung dann vor, wenn folgende Symptome zu beobachten sind: Mangel an Aufmerksamkeit, Überaktivität, Impulsivität und emotionale Instabilität. Vielfach zeigen sich bei vorgeburtlich alkoholgeschädigten Kindern eine gesteigerte Impulsivität, ein nervöser Bewegungsdrang sowie eine vermehrte Ablenkbarkeit, welche wiederum mit der Aufmerksam-keitsschwäche einhergeht. Studien zufolge besteht ein Zusammenhang zwischen elterlichem Alkoholismus und Hyperaktivität bei den Kindern. (vgl. Löser 2001: 83 f; Mayer 2003: 97 ff)

In diesem Zusammenhang sei auf einen Artikel von Reinhard Mayer1 hingewiesen, welcher die besondere Bedeutung und Problematik von ADS bei Kindern von suchtkranken Eltern betont.

2. Angst und depressive Symptome

Angst in seinen verschiedensten Formen, wie z. B. Trennungsangst und soziale Ängste, sind bestimmende Gefühle von Kindern aus alkohol-belasteten Familien. Angstsymptome und Depressionen zählen zu den emotionalen Verhaltensstörungen, die oftmals von der Umwelt nicht wahrgenommen werden. Die Kinder kehren ihre Störungen nach innen und damit gegen sich selbst. Folgen der Angst sind Resignation und ein geringes Selbstwertgefühl. Laut Martin Zobel (2000: 43) berichten mehrere Studien über vermehrte Symptome von Depression und Angst bei Kindern und Jugendlichen aus alkoholbelasteten Familien. Martin Zobel betont jedoch auch die Bedeutung der häuslichen Familien-atmosphäre bei der Entwicklung internalisierender Störungen. Lebt der abhängige Elterteil abstinent oder vermindert er seinen Alkoholkonsum, so gehen die emotionalen Auffälligkeiten bei den Kinder und Jugendlichen deutlich zurück.

3. Störungen des Sozialverhaltens

Die elterliche Alkoholabhängigkeit hat auch Auswirkungen auf das Sozialverhalten der Kinder und Jugendlichen. Sie haben oftmals Schwierigkeiten in der Kontaktaufnahme und Gestaltung von Beziehungen (Freundschaften) zu Gleichaltrigen. Zum einen aufgrund der enormen emotionalen Belastung und den daraus resultierenden Verhaltensauffälligkeiten, Einstellungen und Gefühlen. Häufig sind die Kinder bemüht Kontakt zu finden, jedoch hindert sie ihr Misstrauen, ihre negativen Erfahrungen mit Menschen, ihr geringes Selbstwertgefühl und die Angst davor ihre Lebenssituation könne aufgedeckt werden, daran Freundschaften und Beziehungen aufzubauen.
(vgl. Bertling 1993: 133 ff; Klein, Zobel 1997: 133 ff)
Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass das Verhalten weniger durch die Alkoholsucht der Eltern geprägt wird, als durch oftmals verschiedene mit dem Suchtverhalten in Verbindung stehenden Faktoren, wie z. B. ein geringer sozioökonomischer Status, ein geringer Bildungsstand der El-tern, ein geringes Einkommen oder antisoziale Persönlichkeit der Eltern. (vgl. Zobel 2000: 40ff).

Abhängigkeitsrisiko

Laut Klaudia Teske (1994: 75) nehmen Jugendliche und junge Erwachsene, die in suchtbelasteten Familien aufgewachsen sind, oftmals eine extreme Haltung zum Alkoholkonsum ein. Entweder lehnen sie Alkohol völlig ab oder der Alkohol hat für sie eine eher destruktive Bedeutung. Schon der griechische Philosoph und Historiker Plutarch1 prägte den Leitsatz „Trinker erzeugen Trinker." (zitiert nach Zobel 2000: 15). Wie in diesem Zusammenhang, von Martin Zobel und Michael Klein, immer wieder betont wird, haben Jugendliche und junge Erwachsene aus alkoholbelasteten Familien ein deutlich erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer eigenen Abhängigkeit. Einer Langzeitstudie zur Folge wurde bei ca. 30 % der Kinder aus Suchtfamilien die Diagnose Alkoholabhängigkeit gestellt. Kinder von alkoholabhängigen Menschen müssen demnach als Risikogruppe für die Entwicklung von Alkohol-missbrauch und -abhängigkeit angesehen werden. Man geht davon aus,dass ihr Risiko, im Laufe des Lebens selbst suchtkrank zu werden, um das sechsfache erhöht ist, im Vergleich zur Normalbevölkerung. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine einzige Ursache für die erhöhte Vulnerabilität verantwortlich ist: Die Transmission, d. h. die generationsübergreifende Weitergabe einer Störung ist multikausal bedingt. Neben der genetischen Transmission der Alkoholabhängigkeit, ist die psychosoziale Transmission, z. B. durch Modellernen, von wesentlicher Bedeutung. Als Kinder lernen sie früh die Funktionalität des Alkohols kennen, der als Mittel zur Entspannung und Konfliktlösung angesetzt wird. Der Alkoholkonsum wird zur familiären Normalität der Problembewältigung. Als Grund für das erhebliche Risiko ist die Nachahmung des elterlichen Trinkverhaltens anzuführen, demnach müssten jedoch alle Kinder aus suchtbelasteten Familien Abhängigkeiten entwickeln. Daher müssen Persönlichkeitsmerkmale, körperliche und subjektive Reaktionen des Alkohols mit einbezogen werden. Studien in den USA haben ergeben, dass vor allem männliche Jugendliche und junge Erwachsene von Suchtkranken, im Vergleich zur Kontrollgruppe, eine veränderte Reaktion auf Alkohol zeigen. So vertragen sie größere Mengen Alkohol (erhöhte Alkoholtoleranz) und erleben deutlich weniger körperliche Nebenwirkungen des Trinkens (z. B. Kater). Anderseits zeigt sich bei ihnen eine erhöhte Stressdämpfung nach dem Alkoholtrinken, so dass der Konsum häufiger als positiv empfunden und Alkohol vermehrt zur Entspannung in Stresssituationen eingesetzt wird. Diese Faktoren erweisen sich als prognostisch negativ, so dass Söhne aus alkohol-belasteten Familien mit einer hohen Alkoholtoleranz ein sehr erhöhtes Risiko für eine eigene Suchtentwicklung zeigen.
(vgl. Klein 1998: 9; 1996 a: 154 ff; Zobel 2001: 50 ff)
Töchter alkoholkranker Väter heiraten zu mehr als 40 % einen alkohol-abhängigen Partner und sind besonders anfällig selbst co-abhängiges Verhalten zu entwickeln. (vgl. Klein 2004 a)

Auswirkungen auf das Leben der erwachsenen Kinder

Neben den so eben dargestellten Auswirkungen des elterlichen Alkohol-konsums im Kindes- und Jugendalter werden kurz die Folgen für die erwachsenen Kinder aus alkoholbelasteten Familien erwähnt. Weiter-führend wird an dieser Stelle auf die Autorinnen Ursula Lambrou1 und Janet Woititz2 verwiesen, die sich intensiv mit den Auswirkungen des elterlichen Alkoholkonsums auf die erwachsenen Kinder befasst haben.
Wie beschrieben haben die Kinder aus alkoholbelasteten Familien in ihrem Leben Verhaltensweisen erlernt und Charaktereigenschaften angenommen, die ihnen in der Kindheit und Jugend geholfen haben, die häusliche Situation zu bewältigen. Die erworbenen Denk- und Verhaltensmuster wirken bis ins Erwachsenenalter hinein. Diese können nicht wieder abgelegt werden und beeinflussen das weitere Leben der Betroffenen. Kinder aus Alkoholikerfamilien haben früh erfahren, dass ihnen, Personen die sie lieben, Schmerz zu fügen und unberechenbar sein können. Aus diesem Grunde haben viele Kinder auch im erwachsenen Alter Schwierigkeiten vertrauensvolle Beziehung zu führen, haben weiterhin Probleme mit Abhängigkeitsverhältnissen, versuchen niemals die Kontrolle zu verlieren und können ihre Gefühle schwer ausdrücken. Aufgrund ihrer internalisierten co-abhängigen Verhaltensstruktur geben sie sich oftmals in ähnliche Beziehungsmuster und Familienstrukturen wie sie in ihrer Herkunftsfamilie erlebt haben. Somit sind sie besonders gefährdet, selbst abhängig zu werden bzw. sich an einen abhängigen Partner zu binden. Welches Ausmaß die Beziehungs- und Gefühlsstörungen annehmen hängt davon ab, wie stark sie als Kinder in ihren Gefühlen verletzt wurden, wie häufig sie Gewalt erfahren haben und wie lange sie sich an das kranke Familiensystem anpassen mussten. (vgl. Black 1988: 131; Bertling 1993: 164; Lambrou 2000: 100)

Janet Woititz (1990: 14 f) hat 13 charakteristische Merkmale für er-wachsenen Kinder aufgestellt. Erwachsene Kinder von Alkoholikern ...

  • haben keine klaren Vorstehlungen davon, was normal ist.
  • fällt es schwer, ein Vorhaben von Anfang bis Ende durchzuführen.
  • lügen, wo es ebenso leicht wäre, die Wahrheit zu sagen.
  • verurteilen sich gnadenlos.
  • fällt es schwer, Spaß zu haben
  • nehmen sich sehr ernst und beurteilen sich selbst nach strengen Maßstäben.
  • haben Schwierigkeiten mit intimen Beziehungen.
  • zeigen eine Überreaktion bei Veränderungen, auf die sie keinen Einfluss haben.
  • suchen ständig nach Anerkennung und Bestätigung.
  • haben meistens das Gefühl, anders zu sein als andere Menschen.
  • sind entweder übertrieben verantwortlich oder total ver-antwortungslos.
  • sind extrem zuverlässig, auch wenn offensichtlich ist, dass etwas oder jemand diese Zuverlässigkeit gar nicht verdient.
  • sind impulsiv.
  • Sie neigen dazu, sich in Verhaltensweisen festzurennen, ohne alternative Handlungsmöglichkeiten oder eventuelle Konsequenzen ernsthaft zu bedenken.

Über die Autorin/den Autor
Alexandra May ist Diplom-Sozialarbeiterin/Sozialpädagogin (FH). Zusätzlich studierte sie Erwachsenenpädagogik an der Humboldt-Universität zu Berlin.

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