Einleitung Alkoholmissbrauch
Laut der Deutschen Hauptstelle gegen die Suchtgefahren (DHS 2001) leben in Deutschland derzeit 1,6 Millionen Menschen, die akut alkoholabhängig sind, bei weiteren 2,65 Millionen Menschen liegt ein Alkoholmissbrauch vor. Der Grossteil von ihnen hat Familie und Kinder. Inzwischen ist in Fachkreisen allgemein bekannt, dass nicht nur der alkoholabhängige Mensch selbst unter der Abhängigkeit leidet, sondern die ganze Familie von den Auswirkungen des Alkoholismus betroffen ist. Daher wird in der gängigen Fachliteratur auch von der "alkoholkranken Familie" bzw. von der „Familienkrankheit Alkoholismus" gesprochen. (vgl. Wegscheider 1988; Lambrou 1990; Zobel 2001)
Laut dem Drogen- und Suchtbericht der Drogenbeauftragten der Bundesregierung (2004) leben in Deutschland über 2,5 Millionen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren, die mit mindestens einem suchtkranken Elternteil aufwachsen. In der Literatur wird immer wieder bestätigt, dass Alkoholismus in der Familie für die Kinder und Jugendlichen ein erhöhtes Risiko hinsichtlich der Entwicklung von psychischen Auffälligkeiten bzw. einer eigenen Suchtentwicklung darstellt. (vgl. z. B. Klein 1998: 8)
Die Probleme der Kinder aus suchtbelasteten Familien gerieten in der Vergangenheit immer wieder in Vergessenheit. Erst in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts thematisierten amerikanische Autorinnen wie Sharon Wegscheider und Claudia Black diese Problematik. Im deutsch-sprachigen Raum machten Autorinnen wie Ursula Lambrou und Ingrid Arenz-Greiving, Ende der 80er/Anfang der 90er Jahre, auf die besondere Belastung von Kindern in alkoholkranken Familien aufmerksam. Aktuell sind im Besonderen Dr. Martin Zobel1 und Prof. Dr. Michael Klein2, aufgrund ihrer aktiven Forschungs- und Öffentlichkeitsarbeit im Bereich Kinder aus alkoholbelasteten Familien, zu erwähnen.
Das Anliegen dieser Arbeit ist es, aus einem sozialarbeiterischen Blickwinkel heraus die besondere Lebenssituation und Entwicklung der Kinder und Jugendlichen aus alkoholbelasteten Familien zu betrachten. Da diese, die am wenigsten beachteten Angehörigen in Alkoholikerfamilien sind. Werden sie nicht offensichtlich auffällig, fallen sie durch alle Raster des Hilfesystems und müssen ihre Probleme allein bewältigen.
Anhand der gängigen Fachliteratur zu diesem Thema werden folgende Bereich bearbeitet:
Als Basis wird zu Beginn (Kapitel 1) die Bedeutung des Alkoholismus für die Familie aufgezeigt. Wobei hier zunächst grundlegende Begriffe wie Alkoholismus, Alkoholmissbrauch, Alkoholabhängigkeit und Co-Abhängigkeit zu definieren sind. Im Verlauf wird die Situation und Atmosphäre sowie die Regeln und Botschaften in einer alkoholbelasteten Familie beschrieben.
Exemplarisch für die Darstellung der alkoholkranken Familie gilt in der gängigen Literatur die Abhängigkeit des Vaters. Und auch hier wird, wenn nicht anders beschrieben, von einer vollständigen Familie mit einem alkoholabhängigen Vater ausgegangen. Im Folgenden finden die Begriffe Alkoholkrankheit, Alkoholabhängigkeit, Alkoholismus und Suchterkrankung synonyme Verwendung.
Im Kapitel 2 wird die aktuelle Lebenssituation der Kinder und Jugendlichen von alkoholkranken Eltern bzw. Elternteilen dargestellt. Dieser Teil der Arbeit umfasst die Bedingungen unter denen diese Kinder aufwachsen, die Bewältigungsstrategien die sie nutzen sowie das Gefühlsleben und Verhalten der Kinder und Jugendlichen. Anschließend werden die psychischen und physischen Auswirkungen der elterlichen Alkoholsucht auf die Kinder und Jugendlichen beschrieben Die Frage nach den Auswirkungen auf das Leben der erwachsenen Kinder wird im Rahmen dieser Arbeit nur am Rande berücksichtigt. Statistiken zeigen auch, dass die Kinder nicht zwingend mit sichtbaren psychischen Problemen reagieren. In dieser Arbeit wird außerdem auf die Ressourcen und Fähigkeiten hingewiesen, welche sich durch das Aufwachsen in einer alkoholbelasteten Familie entwickeln. Neben der Darstellung der Risikofaktoren werden am Ende dieses Kapitels die Schutzfaktoren betrachtet.
Im praxisorientierten Teil geht es zunächst um die Frage, welche präventiven bzw. frühintervenierenden Maßnahmen diesen Kinder helfen können sich weitgehend gesund zu entwickeln (Kapitel 3). An dieser Stelle werden ausgewählte ambulante Hilfsangebote für Kinder und Jugendliche aus suchtbelasteten Familien im derzeitigen Hilfesystem aufgezeigt, wobei das Konzept der sozialen Gruppenarbeit im Vordergrund steht. Auf stationäre Hilfen wird an dieser Stelle nicht eingegangen. Da die Mehrzahl der Angebote nicht ausschließlich für Kinder und Jugendliche aus alkoholbelasteten Familien konzipiert sind, wird hier allgemein von suchtbelasteten Familien berichtet.
Aufbauend auf die theoretische Auseinandersetzung mit dem Thema werden zehn Thesen (Kapitel 4) für die folgende qualitative Untersuchung aufgestellt.
Anhand der Expertenaussagen, aus drei durchgeführten Interviews, werden diese Thesen bewertet. Die persönliche Befragung der Experten erfolgt anhand eines Interviewleitfadens, welcher als Strukturierungs-instrument dient und im Anhang dieser Arbeit, ebenso wie die transkribierten Interviews, beiliegt. Die Beschreibung der Methodologie, der Expertenauswahl sowie der Durchführung der qualitativen Untersuchung wird in Kapitel 5 dargelegt.
Im letzten Teil der Arbeit (Kapitel 6) erfolgt die Auswertung der Interviews nach einer Methode von Michael Meuser und Ulrike Nagel (1997), wobei die Ergebnisse auf Gemeinsamkeiten und Differenzen hinsichtlich der Thesen geprüft werden.
Am Ende der Arbeit wird eine abschließende Zusammenfassung gegeben.
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- Erstellt am 01.02.2005
- Geschrieben von Alexandra May