Down-Syndrom: Von der Frühförderung bis zum Abitur

Kein Down-Syndrom gleicht einem anderen in seinem Auftreten und auch nicht in dem, welche Beeinträchtigungen damit einhergehen. So weisen nicht alle Kinder mit Trisomie 21 eine gleichermaßen stark verzögerte Entwicklung oder eingeschränkte Lernfähigkeit auf. Allen gemein ist jedoch, dass sie in der Regel langsamer lernen und mit komplexen, abstrakten Denkprozessen Schwierigkeiten haben. Entsprechend sind passende Maßnahmen zu wählen, um betroffene Kinder gezielt fördern zu können.

[Ein Text von Blaue Apotheke, Bereich „Juvalis" - Arzneimittelversandhandel. Der Inhalt spiegelt nicht unbedingt die Meinung von heilpaedagogik-info.de wider.]

Individuelle (Früh-) Förderung

Die Frühförderung von Kindern mit Down-Syndrom bietet die bestmögliche Unterstützung für deren individuelle Entwicklung und damit auch eine Perspektive für eine mögliche Unabhängigkeit. Sie stellt sicher, dass die Kinder trotz einer meist langsameren körperlichen, motorischen, geistigen und sprachlichen Entwicklung ihre individuellen Möglichkeiten und Begabungen ausschöpfen können. Je nach Persönlichkeit, Vorlieben und Fähigkeiten der Betroffenen wird die Frühförderung gezielt auf jedes Kind einzeln abgestimmt. Dabei wird der Festigung bereits erworbener Entwicklungsschritte und der Unterstützung individueller, besonderer Begabungen ein ebenso großer Wert zugesprochen, wie der Erwerb neuer Fähigkeiten. In ihrer Ausgestaltung hängt die Frühförderung jedoch sehr davon ab, wie stark die Behinderung ausgeprägt ist.

Eine gesamtheitliche Förderung umfasst sowohl die ärztliche, medizinisch-therapeutische und die psychologische Begleitung der Kinder, als auch ergänzende heilpädagogische und sozialpädagogische Aspekte. Hierzu zählt u. a. die Sprachtherapie, die sich mit der Förderung des Sprechens und des Sprachaufbaus befasst. In vielen Fällen bildet der Einsatz von Zeichen und Gebärden einen unterstützenden Part dieser Therapie. Die Entwicklungsverläufe sind sehr unterschiedlich und reichen von hervorragenden Leistungen bis hin zu starken Lernschwächen auf Grund von Mehrfachbehinderungen. Auch das Tempo der Entwicklung ist individuell ausgeprägt.

Obwohl Menschen mit Down-Syndrom bzw. Trisomie 21 meist eine leichte bis mittelgradige Intelligenzminderung bei einem IQ zwischen 40 und 70 aufweisen, ist die Spannbreite der geistigen Leistungsfähigkeit bei ihnen so groß wie bei allen anderen Menschen auch. Hierbei ist allerdings zwischen den verschiedenen Formen von Trisomie zu differenzieren: Das Relationsverhältnis der von dem Gendefekt betroffenen Zellen zu den gesunden Zellen bedingt die intellektuellen Entwicklungsvoraussetzungen des Kindes. Während der durchschnittliche Intelligenzquotient bei Kindern mit der freien Trisomie 21 bei ungefähr 50 liegt, beträgt der Mittelwert bei einer Translokationstrisomie 48 oder einem Mosaik-Syndrom etwa 70. Somit liegen dann einige Betroffene mit einem IQ über 70 noch in der Spannbreite der Intelligenz von Menschen ohne Down-Syndrom.

Schulalltag mit Down-Syndrom

Die Förderung von Kindern mit Down-Syndrom umfasst bereits die Vorbereitung auf die Schulfähigkeit: In spielerischen Lernsituationen werden die Anforderungen des Schulalltags geübt, die Konzentrationsfähigkeit und die Motorik verbessert. Wurden alle Möglichkeiten von Frühförderungsprogrammen ausgeschöpft, so ist es nicht selten, dass Kinder mit Down-Syndrom Kindergärten und Schulen, die sich der Inklusion verschrieben haben, besuchen können.

Kinder mit Down-Syndrom gelten üblicherweise als überaus lernwillig und aufgeschlossen. Da ihre sozialen und emotionalen Fähigkeiten in der Regel sehr gut entwickelt sind, profitieren sie von den sozialen Kontakten zu anderen Kindern: Sie finden Freunde, können sich Handlungen bei ihnen abschauen und zugleich ihre Sprach- und Sprechfähigkeiten verbessern. In diesem Zusammenhang lernen sie auch ein selbstständiges und selbstbewusstes Auftreten und verbessern es kontinuierlich.

Von der Inklusion im Kindergarten und in den Schulen profitieren nicht nur die Kinder mit Handicap. Gemeinsames Lernen und Spielen hilft dabei auch den Mitschülern, Vorurteilen und Ängsten entgegenzuwirken ‒ der offene Umgang mit Menschen mit Behinderung wird bereits im frühesten Kindesalter erlernt.

Down-Syndrom und Abitur

Ein Abitur stellt schon so manchen Schüler ohne Handicap auf eine harte Probe – doch es hat sich gezeigt, dass dieser Schulabschluss auch für Menschen mit Down-Syndrom zu erreichen ist! Das Beispiel der 20-Jährigen Silvia aus Italien zeigt, dass mit einer entsprechenden Förderung und Engagement von Seiten des Elternhaus und aller Erziehenden und Lehrkräfte auch ein höherer Schulabschluss zu meistern ist.

Ein zweites Vorbild, das belegt, dass Menschen mit Down-Syndrom nach wie vor unterschätzt werden, stellt Pablo Pineda dar: Der spanische Lehrer und Schauspieler erlangte 2004 als erster Europäer mit Down-Syndrom einen Universitätsabschluss – und genießt seitdem eine gewisse Bekanntheit.

Dass die akademische Karriere eines Menschen mit Down-Syndrom an dieser Stelle noch lange nicht zu Ende sein muss, bewies Karen Gaffney neun Jahre nach Pinedas Universitätsabschluss: Die Amerikanerin trägt seit 2013 den Ehrendoktortitel der Universität Portland und darf sich seitdem als „Dr. h.c. of Humane Letters“ bezeichnen. Mit ihrer gemeinnützigen Organisation, der „Karen Gaffney Foundation“, setzt sich Gaffney für die Inklusion von Menschen mit Entwicklungsstörungen ein und macht so auf die enormen Fähigkeiten von Menschen mit Beeinträchtigungen aufmerksam.

Neben ihrem sozialen Engagement arbeitet die Amerikanerin als Lehrerin, Motivationsrednerin und gewann als passionierte Schwimmerin bereits zwei Goldmedaillen bei den Special Olympics.

Ob Abitur, Universitätsabschluss oder gar Doktortitel – diese drei Beispiele zeigen eindrucksvoll, dass die Entwicklungs- und Fördermöglichkeiten von Menschen mit Trisomie 21 in unserer modernen Gesellschaft so gut sind, wie noch nie zuvor. Ihre Talente müssen nur rechtzeitig erkannt und individuell entsprechend gefördert werden.

Down-Syndrom Plus

Doch nicht für alle Kinder mit Down-Syndrom ist der Schulalltag oder gar ein Universitätsabschluss zu meistern: Unter dem Begriff Down-Syndrom Plus sammeln sich die Beeinträchtigungen jener Menschen mit Down-Syndrom, deren Entwicklung aus verschiedenen Gründen verzögert oder gehemmt ist. Darunter fallen neben Fehlbildungen und speziellen Erkrankungen (wie etwa Herzfehler) auch Funktionsbeeinträchtigungen von Ohren und Augen oder tiefgreifende Entwicklungsstörungen.

Zu letzteren zählen auch autistische Störungen und ADHS (Hyperaktivität). Die Entdeckung, dass auch bei Menschen mit Down-Syndrom schwerwiegende Entwicklungsstörungen wie Autismus oder Zwangsneurosen vorkommen können, ist in der Medizin noch relativ neu. Aus diesem Grund gibt es bislang nur wenig Literatur oder Studien zu diesem Thema. In Fachkreisen wird jedoch davon ausgegangen, dass bei ca. 5 bis 7 % aller Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen mit Down-Syndrom eine solche Doppeldiagnose vorliegt.

Ebenso wie beim Down-Syndrom selbst sind die Formen dieser Entwicklungsstörungen je nach Kind unterschiedlich stark ausgeprägt. Dies bedeutet, dass sich Kinder mit einer solchen Diagnose sehr stark voneinander unterscheiden: Während einige nicht sprechen können oder bestimmte Routinen für ihren Alltag benötigen, treffen derartige Einschränkungen bei anderen Betroffenen nicht zu.

In Kombination mit einer enormen Variabilität an Fähigkeiten und Charaktereigenschaften wird auch an dieser Stelle deutlich, wie wichtig die individuelle und kontinuierliche Förderung von Kindern mit Down-Syndrom ist, damit sie ihr maximales Leistungsvermögen erreichen und ausschöpfen.

Über die Autorin/den Autor
Marcel Saft ist freiberuflicher Dipl.-Technikredakteur (FH).

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