Festhaltetherapie

Festhaltetherapie

Die Festhaltetherapie wurde 1984 von der amerikanischen Kinderpsychiaterin Welch entwickelt. Dieser Halteansatz setzt sich über den Widerstand der autistischen Kinder gegen Körperkontakt und Nähe hinweg, wobei das Erleben des Blick- und Körperkontaktes von grundlegender Bedeutung ist. Ähnlich der Methode zur Behandlung von Ängsten („Flooding") soll das Kind durch diese reizüberflutende Vorgehensweise seine Angst vor Nähe überwinden und mittels dem Festhalten durch eine Bezugsperson das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit erleben. Heute findet die Festhaltetherapie bei Autisten keine Anwendung mehr.

Geschichtlicher Hintergrund der Festhaltetherapie

In 80ern ging man davon aus, daß eine gestörte Bindung zwischen Mutter und Kind Autismus verursacht. Die Mutter sei nicht imstande die Bedürfnisse des Kindes zu verstehen und normal zu befriedigen, so daß dem Kind das Urvertrauen fehlt. Auch N. und E. Tinbergen vertraten diese Auffassung, daß die Hauptursache des Autismus einen psychischen Ursprung hat und Wahrnehmungsstörungen sekundären Charakter haben. Sie förderten die von Welch entwickelter Therapie des erzwungenen Festhaltens weiter. Die Aufgabe einer Therapie sei es die gestörte Bindung zwischen Mutter und Kind wieder herzustellen, um dadurch den mißlungenen Prozeß der Vertrauensbildung und Sozialisierung nachzuholen (vgl. Remschmidt S. 80). Mit Hilfe des Festhaltens des Kindes durch die Mutter werden der Körperkontakt und die Nähe erzwungen ohne daß das Kind ausweichen kann. Wehrt sich das Kind gegen die Umarmung, so wird dies ignoriert, das „Halten", welches oftmals einem Kampf gleicht kann mehrere Stunden dauern und wird solange durchgeführt bis das Kind seinen Widerstand aufgibt. Da das Kind allmählich kraftlos wird muß es die Nähe und Liebkosungen zulassen. Die Mutter muss dabei das Kind fest an sich drücken und während der Prozedur den Blickkontakt aufrechterhalten und es trösten. Die Festhaltetherapie wird zunächst täglich später wöchentlich abgehalten. Durch das Brechen des kindlichen Widerstandes soll die Angst vor Nähe, und nach der damaligen Vorstellung somit auch der Autismus, bei dem Kind abgebaut werden. Der Erfolg dieser Methode ist bis heute nicht geklärt, auch wenn einige Fallstudien erfolgversprechend schienen. Jedoch steht die Methode Tinbergens des „gezwungenen Festhaltens" in der Kritik und erregte sehr viel Aufsehen, da einerseits Hoffnung auf Heilung oder Symptomminderung geweckt worden war. Andererseits aber widerstrebte es vielen Eltern ihre Kinder gewalttätig festzuhalten und ihnen so keinen Raum für eigenes Verhalten zu ermöglichen. Auch konnte man bei einigen Kindern die Zunahme aggressiver Gefühle und die Vergrößerung der Distanz zur Mutter beobachten. Durch zunehmendes Wissen über die biologischen Ursachen des Autismus verlor diese Therapie an Bedeutung.

Über die Autorin/den Autor
Alexandra May ist Diplom-Sozialarbeiterin/Sozialpädagogin (FH). Zusätzlich studierte sie Erwachsenenpädagogik an der Humboldt-Universität zu Berlin.

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