Die linguistischen Ebenen der Sprachentwicklung

Die linguistischen Ebenen der Sprachentwicklung

Kindern gelingt es in einer erstaunlich kurzen Zeit, einen grundlegenden Bestand semantischer, syntaktischer und morphologischer Prinzipien ihrer Muttersprache zur erwerben. Aus linguistischer Sicht werden dabei vier Sprachdimensionen unterschieden.

Phonematisch-phonologische Ebene der Sprachentwicklung

In der Phonologie geht der Prozess des Sprachverstehens dem Sprechen weit voraus. Kinder verstehen viel früher das Gesagte, als sie zu sprechen beginnen. Auch wenn sie bereits sehr früh erste Laute produzieren können.

In der Phonologie geht es um das Unterscheiden von Lauten und um die Regeln, nach denen die Laute zu Wörtern zusammengestellt werden. Die Phonologie "erörtert die Beschaffenheit und Verwendung der Phoneme" (Fendrich, S 51). Phoneme sind Lauteinheiten mit bedeutungsunterscheidenden Funktionen. Beispiel: "Haus - Maus" - diese beiden Wörter unterscheiden sich nur durch ein Phonem und haben eine ganz unterschiedliche Bedeutung.

Die Laute einer Sprache haben aufgrund von phonologischen Regeln verschiedene Merkmale. Ein Laut kann innerhalb eines Wortes unterschiedlich ausgesprochen werden. So gibt es z. B. das stimmhafte "s" (wie in "Sand") und das stimmlose "s" (wie in "Küste"). Kinder lernen unbewusst im Vorschulalter die Regeln der Phonologie. Dieses spontane Lernen erfolgt durch die eigene Sprachwahrnehmung und die eigene Sprachproduktion.

Die Phonetik ist die Lehre von der Erzeugung der akustischen Sprachlaute. In der phonematischen Ebene geht es vor allem um die Prosodie (= Sprechmelodie), die besonders in der Säuglingszeit eine hohe Bedeutung hat. Ein Säugling nimmt zuerst die situativen Kontexte war, die durch die Intonation und die Melodieführung eine Bedeutung erhalten. Hierauf ist beispielsweise die Ammensprache besonders ausgerichtet, die gegenüber Säuglingen meist instinktiv verwendet wird. Besondere Merkmale in der Ammensprache sind eine höhere Grundfrequenz, eine langsamere Aussprache und ein melodisches Auf und Ab. Intonationen sind z. B. bei Säuglingen oft zu beobachten, indem sie typische Fragen oder Bejahungen lallen. Zu den prosodischen Aspekten zählen die Intonation, die Dynamik, der Rhythmus, die Flüssigkeit sowie Pausen und Betonung. Besonders durch Lieder, Fingerspiele, Abzählreime, Gedichte und kleine Kurzgeschichten kommen die prosodischen Aspekte sehr gut zur Geltung.

Kommunikation und Pragmatik

Sprache hat einen kommunikativen Zweck. Die Kommunikation besteht aus verbalen, nonverbalen, emotionalen und situativen Komponenten. Wir teilen über die Sprache unsere Gedanken, Gefühle und Erlebnisse mit. Kinder erwerben im Laufe der Zeit die Fähigkeit, Kommunikationsmuster zielgerichtet und situativ variierend zu verwenden (vgl. Fendrich, S. 55).

Pragmatik ist die die Lehre vom sprachlichen Handeln. Pragmatik stellt eine Verbindung zwischen dem Denken und der Sprache her. Es geht hierbei um das Verstehen von Aussagen und um die sozialen Aspekte des Sprachgebrauchs. Kinder lernen im Laufe der Zeit, ihre Aktivitäten mit denen andere Menschen zu koordinieren (vgl. Fendrich, S. 54). Dies ist besonders gut im Rollenspiel zu beobachten.

Lexikon und Semantik

Die Semantik beschäftigt sich mit der Bedeutung und dem Sinn von Wörtern und Sätzen, d. h. mit der spezifischen Bedeutung eines sprachlichen Ausdrucks. Kinder müssen zuerst aber die Worte lernen, um Bedeutungen bilden zu können. Dafür brauchen Kinder ein "Lexikon". Dieses Lexikon entspricht etwa dem Wortschatz eines Menschen. Es enthält die grammatikalische Wortlehre sowie möglichst viele Ausdrücke einer Sprache. Alle Wortformen haben ihre grammatikalischen Merkmale, die zur Bildung von Sätzen verwendet werden.

Der Aufbau des Lexikons und der Semantik wird von der kognitiven und der sensomotorischen Entwicklung eines Kindes beeinflusst. Lexikon und Semantik "hängen eng mit kognitiven Prozessen, d.h. Erkenntnisprozessen, besonders mit den Begriffsbildungen, sowie mit dem ganzen situativen Kontext, bzw. mit der Tätigkeit des Kindes zusammen" (Weigl, S. 18).
Beispielsweise versteht ein Krippenkind das Wort "essen" nur, wenn das Wort handelnd mit Gestik und Mimik begleitet wird. In dieser Entwicklungsphase wird die Wortwahrnehmung noch nicht von der Handlung getrennt. Erst gegen Ende des 2. Lebensjahres kann ein Kind allmählich getrennte Bedeutungen bezüglich Objekten und Personen entwickeln.

Morphologie und Syntax

Nach dem Ausbau des semantisch-lexikalischen und des phonomatisch-phonologischen Systems können sich die Strukturen des Syntax und der Morphologie bilden. Die Syntax und die Morphologie sind hier eng miteinander verbunden. Ein Kind erwirbt die Fähigkeit, Worte zu Sätzen zusammenzustellen (Syntax) und Wörter zu beugen (Morphologie). Es kann Zusammenhänge und komplexe Sachverhalte nun ausdrücken (vgl. www.kindergartenberater.de).

Die Syntax stellt die grammatikalischen Regeln einer Sprache dar. Die Wörter, aus denen alle Sätze bestehen, müssen in einer geordneten Folge an bestimmten Positionen eines Satzes stehen (vgl. Welling, S. 53). Ein Satz besteht aus Regeln, nach dem Wörter zu einfachen oder auch komplexen Satzgefüge geordnet werden. Es werden dadurch beliebig viele neue Sätze gebildet. Ein Kind kopiert jedoch nicht einfach die Sprache der Erwachsenen, sondern es hat zu jedem Zeitpunkt eine eigenständige grammatische Systematik (vgl. Grohnfeldt, S. 46).

In der Morphologie dreht sich alles um den internen Aufbau von Wörtern. Die Morphologie beschäftigt sich mit den Flexionen (Deklination und Konjugation), Wortbildungen (Derivation und Komposition) und der Morphophonologie (Zuordnung von Wörtern zu ihren Aussprachen). Die Morphologie gliedert die Wortformen einer Sprache in Morpheme, die kleinsten bedeutungsvollen Einheiten einer Sprache. Ein Morphem ist eine Lautsequenz, die eine Bedeutung hat. Die Wortform "Schule" besteht beispielsweise aus den Silben "Schu" und "le". Einzeln betrachtet ergeben die Silben keine Bedeutung. Erst wenn man die Silben zusammensetzt, kann dem Wort eine Bedeutung zugeordnet werden.

Quellen und weitere Informationen

Über die Autorin/den Autor
Diana Saft ist staatlich anerkannte Heilpädagogin und Heilerziehungspflegerin. Sie sammelte bisher Erfahrungen in einem Seniorenheim, in einem Wohnheim für Menschen mit Behinderungen, in einem integrativen Kindergarten und in einem deutschen Kindergarten in den USA.

Wie gefällt Ihnen diese Seite?
(10 Bewertungen, durchschnittlich 4.50 von 5)
Nach oben scrollenNach oben