Die geschichtliche Entwicklungen der Erwachsenenbildung für Menschen mit geistiger Behinderung bis 1970

Die geschichtliche Entwicklungen der Erwachsenenbildung für Menschen mit geistiger Behinderung bis 1970

Die Geschichte der Erwachsenenbildung von geistig behinderten Menschen ist sehr jung. Laut Georg Theunissen (2003: 11, 45) wurde die Bildungsaufgabe in Bezug auf erwachsene geistig- und lernbehinderter Menschen erst vor etwa 20 Jahren entdeckt. Die Gründe dafür findet Georg Theunissen in folgenden Aspekten: die Bildungs- und Lernfähigkeit wurde Menschen mit geistiger Behinderung lange Zeit abgesprochen, die Lebenserwartung dieser Personengruppe war früher niedriger als heute und nicht zuletzt überlebte die Mehrheit der behinderten Menschen die Zeit des Nationalsozialismus nicht und fiel der Vernichtung der Nationalsozialisten zum Opfer.

In den Nachkriegsjahren standen in der Behindertenarbeit die vorschulische und schulische Förderung und somit ausschließlich Kinder und Jugendliche (mit leichten und mittleren Behinderungen) im Vordergrund (vgl. Speck 1990: 29 ff). Menschen mit schwerer geistiger Behinderung galten in der DDR als bildungs- und förderungsunfähig und auch in der BRD wurde ihnen bis in die 70er Jahre jegliche Bildungsmöglichkeit abgesprochen (vgl. Theunissen 2003: 45).

In den 80er Jahren erwachten die Erkenntnis der Lern- und Bildungsfähigkeit erwachsener Menschen mit geistiger Behinderung und damit ein deutliches Interesse an der Bildungsarbeit mit diesem Personenkreis. Die internationalen Entwicklung in der Behindertenarbeit und die Zunahme der behinderten Menschen im Erwachsenenalter (Nachkriegsgeneration) führten in der Heilpädagogik zu einem gewissen Handlungsdruck und schließlich zu einer gezielten pädagogischen Arbeit mit diesem Personenkreis. Laut Georg Theunissen (2003: 12) haben die Normalisierungs- und Integrationsbemühungen sowie die Selbstbestimmungsdebatte der 80er Jahre entscheidend zur Entwicklung der lebenslangen Bildungsarbeit bei erwachsenen Menschen mit geistiger Behinderung beigetragen. In dieser Zeit gründete sich u. a. die „Gesellschaft zur Förderung der Erwachsenenbildung für Menschen mit geistiger Behinderung e. V." [5] Bildungsveranstaltungen sowie Tagungen wurden durchgeführt und die Publikationen zum Thema „Behinderung und Erwachsenenpädagogik" stiegen ab dieser Zeit deutlich an, so dass die Arbeit der neu gegründeten Gesellschaft die Professionalisierungsbestrebungen in hohem Maße vorantrieb. Weiterhin wurde durch den Aufbau der Gesellschaft die Weiterentwicklung der Erwachsenenbildung für Menschen mit geistiger Behinderung auf der Verbandsebene verstärkt. (vgl. Lindmeier; Ryffel; Skelton 2000: 130)

Ab den 70er Jahren setzte sich in der allgemeinen Erwachsenenbildung die Zielgruppenarbeit durch. Mittels dieses Weiterbildungskonzepts sollte für benachteiligte Gruppen Chancengleichheit und soziale Gerechtigkeit erreicht werden (vgl. Lindmeier 2000: 8). In dieser Phase wurden auch Menschen mit Behinderung als Zielgruppe der Erwachsenenpädagogik erfasst. In den 80er Jahren wurden dann Zielgruppenkonzepte entwickelt, die das Lernen in heterogenen Gruppen als Zielperspektive integrativer Erwachsenenbildung fokussierte (vgl. Theunissen 2003: 189 ff). Ein einflussreiches Beispiel hierfür ist das integrative Konzept von Erika Schuchard (1987) , welches Sie in ihrer Monographie „Schritte aufeinander zu. Soziale Integration Behinderter durch Weiterbildung" darlegt. In diesem Zielgruppen-Interaktions-Konzept beschreibt sie das wechselseitige Lernen von behinderten und nicht behinderten Menschen und schaffte damit einen neuen Zielgruppenansatz, der als gesellschaftspolitische Aufgabe aus der Erwachsenenbildung nicht mehr wegzudenken ist (vgl. Theunissen 2003: 49). Christian Lindenmeier verfolgt dieses integrative Modell bis heute weiter. In Kapitel 4 der vorliegenden Arbeit wird näher auf die Inhalte dieses Konzeptes eingegangen.

[5] seit 1994 dann „Gesellschaft Erwachsenenbildung und Behinderung e. V."

Über die Autorin/den Autor
Alexandra May ist Diplom-Sozialarbeiterin/Sozialpädagogin (FH). Zusätzlich studierte sie Erwachsenenpädagogik an der Humboldt-Universität zu Berlin.

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